Thomas Kälberloh

seit 1978 lebt und arbeitet Thomas Kälberloh in Hamburg
1957 ist er in Essen geboren worden

Petra Roettig

Thomas Kälberloh . Bildschrift

Zunächst scheint alles ganz einfach: Thomas Kälberlohs Schriftbilder wirken auf den ersten Blick in ihrer Farbigkeit eindeutig definiert und klar verständlich. Jedoch der Schein trügt: Schaut man genauer hin, so erkennt man eine Undurchdringlichkeit, ein Verschwinden von etwas, das uns seinem Inhalt nach unbekannt bleibt. Nichts ist mehr eindeutig; selbst die perfekt wirkende Oberfläche entpuppt sich als immer wieder überarbeitete Leinwand mit zahlreichen Malschichten, Übermalungen und daraus resultierenden Auslöschungen, die sich in den Texten und Schriftzeichen wiederholen. Zunächst erscheinen diese palimpsestartigen Schriftzüge lesbar, was sich bei genauerer Betrachtung aber als Trugschluss erweist. So erweckt die vermeintliche Klarheit des Geschriebenen unsere Neugier: Wird man durch das Lesen unfreiwilliger Zeuge einer privaten Nachricht, welche man in den Fragmenten glaubt erkennen zu können? Tatsächlich entzieht sich der Text jedoch der Dechiffrierbarkeit, der Zugang zu den Schriftzeichen ist verschlossen: Die erwartete Botschaft, die Aufschluss und Information über Gedanken und Inhalt des Geschriebenen geben soll, bleibt aus. So liegt die Irritation und zugleich Faszination von Thomas Kälberlohs Schriftbildern in ihrer Verweigerung, sich dem Betrachter zu öffnen.

Ebenso wie der Text entziehen sich auch die Farben der Bilder jeglicher Beschreibung: Es sind keine klaren, reinen Farben, sondern gebrochene Farbtöne, die durch die unzähligen Übermalungen erst entstehen. Man fragt sich, was dort unter der Oberfläche der Leinwand eigentlich passiert. Nie sind die Farben wirklich fassbar, immer steckt eine ganze Palette von unterschiedlichsten Farbnuancen dahinter, die man nicht mehr entschlüsseln kann. Dabei stoßen in diesen Bildern die verschiedensten Farbflächen gegeneinander, die durch stumpfe, manchmal nebulös wirkende Flächen räumlich getrennt werden. Diese unterbrechen den Lesefluss des Bildes, werden zu Störfaktoren oder aber zu Ruhezonen für den Betrachter. Als neutrale Grenzbereiche durchschneiden diese grauen »Nichtfarben« in den vertikalen oder horizontalen Kompositionen das Bild und lassen dem Betrachter so die Möglichkeit zur Reflektion.

So hat das Auge im Kampf mit den ästhetischen Reizen der Bilder neben dem Sichtbaren, vor allem das Abwesende, das Nichtfassbare zu akzeptieren. Im Zusammenspiel mit dem konkurrierenden Farbuntergrund wird dabei durch das Auslöschen und Kodieren der Schrift die Neugierde nach der Bedeutung des Textes noch gesteigert. Damit ist nicht mehr der Inhalt des Geschriebenen interessant – Anekdote, Tiefsinn, Banales, Privates oder Intimes –, sondern allein die Frage nach der Unmittelbarkeit von Text, Bild und Farbe an sich. Das zentrale Anliegen von Thomas Kälberlohs Bildern ist daher die Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Texten, der Gültigkeit von Worten und dem Wert von Information. Die verbindliche Verlässlichkeit von Schrift als Nachricht und Information wird durch die Schriftbilder in Frage gestellt.